Weite Ebenen, sanfte Hügel, Bergspitzen und verträumte Dörfer – in der Region la Drôme zwischen Lyon und der Provence geht es noch beschaulich zu.
Text und Fotos von Katja Gartz
Seit vielen Jahren zieht es Christine Maack immer wieder nach Südfrankreich. Lyon kennt die Saarländerin allerdings bislang nur vom Vorbeifahren. Diesmal legt sie einen Zwischenstopp ein. Bevor sie von dort mit einer kleinen Gruppe gen Süden aufbricht, geht sie in Lyon auf Entdeckungstour.
Prächtige Renaissancegebäude verleihen der Altstadt ein italienisches Flair. Umarmt von zwei Flüssen der Sâone oder der Rhône erstreckt sich die Hauptstadt der Region Rhône-Alpes zwischen den Hügeln Fouvière und Croix-Rousse. Ein ganzes Stadtviertel liegt auf einer Halbinsel. Auf der so genannten Presqu’île vorbei am Rathaus, der Oper und dem Museum der schönen Künste laden viele Antiquitätenhändler zum Stöbern ein. Die auf einem Hügel gelegene Basilika von Fouvière dient stets als Orientierungspunkt. Die Aussichtsplattform der nach dem gleichnamigen Viertel benannten Basilika bietet das schönste Panorama der Lyons. Bei klarer Sicht reicht der Blick über die gesamte Stadt bis hin zum Mont Blanc. Über die steilen Treppen nach unten, vorbei an den runden Türmen, von denen einst Seidenhändler die ankommenden Schiffe im Blick hatten, gelangt die Besucherin wieder in die Altstadt. Frankreichs größtes zusammenhängendes Renaissanceviertel schimmert in warmen Ockertönen. Zahlreiche Gebäude lassen sich von Hof zu Hof über Hausdurchgänge und geheimnisvolle Innenhöfe und Korridore, die so genannten Traboules, erkunden. Durch diese trugen einst die Seidenweber ihre kostbaren Stoffe durch das Viertel, um sie vor Regen zu schützen. Im Zweiten Weltkrieg dienten die nicht auf Plänen verzeichneten Gänge der Résistance als Versteck und Fluchtweg. In der Altstadt trifft die Saarländerin den ortskundigen Romain Raimbault im Café Epicerie, das ebenfalls in mit seinen Arkaden, Säulen und einem romantischen Innenhof einem italienischen Renaissanceschloss gleicht. Untergebracht ist dort heute das Hotel Cour des Loges. Auch Romain Raimbault wollte eigentlich nur zwei Jahre in Lyon bleiben, doch inzwischen sind es zehn. Angetan hat es ihm vor allem die südlich der Stadt gelegene Region Drôme. „Die hügelige Landschaft mir ihren romantischen Dörfern und die großen Lavendelfeldern ist einfach wunderschön“, sagt der gebürtige Pariser, der in Lyon auch die Nähe zu den Bergen, die vielen Seen und natürlich das gute Essen genießt. Schließlich ist Lyon ist die Stadt der Köche und der höchsten Restaurantdichte in Frankreich. Hier hat der berühmte Paul Bocuse sein Restaurant und ein nach ihm benanntes Institut mit Kochkursen eröffnet.
Im Café Epicerie trifft Christine Maack ihre Reisebegleiter. Gemeinsam fahren sie gen Süden in die Region Drôme, die sich zwischen Lyon und Avignon erstreckt. Zwischen Rhônetal, den Voralpen und der Provence ist sie das Tor zum Süden. Nach zwei Fahrstunden machen sie Halt in Mirmande, das als eines der schönsten Dörfer Frankreichs ausgezeichnet wurde. Steile Gassen schlängeln sich hinauf, an alten grauen Steinhäusern, die mit handgeformten Ziegeln gedeckt sind und kleinen Gärten vorbei bis zur der romanischen Kirche Sainte-Foy aus dem 12. Jahrhundert. „Was für eine Aussicht“, sagt Christine Maacks Begleiter Christoph Weymann begeistert und genießt den weiten Blick über das Rhônetal bis weit ins Zentralmassiv. Die schöne Lage hatte es dem kubistischen Maler André Lhote angetan, der 1924 eines der Häuser renovierte, dort sein Atelier einrichtete und viele Künstler nach sich zog, die das Dorf vor dem Verfall retteten. Bevor es weiter geht, genießen Besucher die regionale Küche im Restaurant Margot.
Pfirsich- und Aprikosenbäume, Weinreben und Sonnenblumen säumen den Weg und immer wieder Lavendel, an dem sich die Besucher kaum satt sehen können.
Kulinarische Genüsse gibt es in der Drôme reichlich.
Wer durch das Städtchen Montélimar fährt, kommt an französischen Nougat nicht vorbei. Hersteller an Hersteller reihen sich an der Hauptstraße aneinander und versuchen die Besucher mit ihren süßen Leckereien zu verführen. Von den zwölf Produzenten ist Soubeyran der älteste. Seit 1837 wird der weiße Nougat mit den Grundzutaten Mandeln, Eiweiß, Pistazien und Honig per Hand zubereitet. „Dieser ist weicher als der industriell produzierte Nougat“, erklärt Mitarbeiterin Justine. Elf verschiedene Sorten gehören zum Sortiment, beispielsweise mit Feigen, Himbeeren, Zimt und Schokolade. Rund 600 Kilo der Spezialität produzieren die Mitarbeiter von Soubeyran, der vor allem in den Confiserien Frankreichs verkauft, aber ebenso nach England und Kanada exportiert wird. Schon im 19. Jahrhundert fuhren Reisende nicht ohne Nougat weiter. Als damals die Eisenbahn Station in Montélimar machte, wurden sie direkt im Wagon mit der süßen Köstlichkeit versorgt.
Bevor sich die Reisenden der nächsten regionalen Spezialität widmen, machen sie Halt in dem romantischen Dorf Grignan. Sie schlendern durch die unbefahrenen Gassen zu dem gleichnamigen Schloss empor, um die grandiose Aussicht über die Umgebung zu genießen. Schon die frühere Bewohnerin Madame de Sévigne schrieb im Jahr 1689 an ihre Tochter, die Gräfin von Grignan: „Ich denke andauernd an Grignan, an Euch und an Eure Terrasse mit dem wunderschönen triumphierenden Blick“. Einen lauschigen Platz für einen Mittagsimbiss finden die Besucher am Fuße des Dorfes, im Garten des Restaurants Clair de la Plume.
Weiter in Richtung Süden geht die Fahrt wieder an duftendem Lavendel vorbei. Auf einigen Feldern sind die ersten Pflanzen bereits reif für die Ernte. Zu Sträußen zusammengebunden liegen die Stiele mit den Blüten zwei bis drei Tage zum Trocknen auf dem Boden und warten darauf, eingesammelt zu werden. Während sich Christine Maack und Christoph Weymann von Giovanni Payet in der Destillerie Bleu Provence in dem Städtchen Nyons über die Verarbeitung des Lavendels informieren, liefert ein Laster die erste Ernte dieses Jahres ein. Unzählige Lavendelsträuße, insgesamt 1000 Kilogramm, fallen von der Ladefläche in den Innenhof und begeistern die Nasen der Besucher. In der Drôme blüht der Lavendel von Juni bis Ende August. „Je höher in den Bergen der Lavendel wächst, desto besser lässt er sich destillieren“, erklärt Payet. Das Destilat findet in der Parfum- und Kosmetikherstellung und zunehmend auch in der Küche Verwendung. Christoph Weymann kann das nur bestätigen: „Eis und Creme Brulée mit Lavendel sind einfach köstlich“.
Berühmt ist Nyons auch für seine schwarzen Oliven und das fruchtige hochwertige Olivenöl. Die Bäume kamen einst mit den Römern in die so genannte Drôme provençial. Geerntet werden sie nur im Winter, wenn sie reif sind. Der erste Frost sorgt für das typische schrumpelige Aussehen der Oliven.
Ausklingen lassen die beiden Reisenden ihre Tour in den Thermen von Valvital in Harmeau de Source und genießen bei einem Bad ein das Bergpanorama. Die Thermalquellen liegen in dem Ort Montbrun-les-Bains, im südlichsten Zipfel der Drôme. Während Christoph Weymann für die Heimreise zurück nach Lyon fährt, macht Christine Maack noch einen Abstecher in das nur wenige Kilometer entfernte Avignon in der Provence. Sie setzt sich in ein Straßencafé, bestellt einen Café au lait und sieht die Touristen in Scharen durch die berühmte Stadt ziehen. Vor ihrem inneren Auge lässt sie die Berge, die weiten Täler und beschaulichen Dörfer der Drôme Revue passieren. „Ich werde wiederkommen, es gibt noch viel zu entdecken und es immer noch ein Geheimtipp“.